Geschichte der Dampfbäckerei Velbert

Konsumgenossenschaft Haushalt

Historische Werbung

Die Dampfbäckerei Velbert wurde ab 1909 von der "Konsumgenossenschaft Haushalt" erbaut. Hier wurden Backwaren in großem Stil für Velbert und die umliegenden Gemeinden produziert. Ermöglicht wurde dies durch ein neues, industrielles Backverfahren, bei dem heißer Wasserdampf, der mittels einer Dampfmaschine erzeugt wurde, über die Teigwaren geleitet wurde.

Die Großbäckerei war genossenschaftlich organisiert. Erklärtes Ziel der Genossenschaft war es, die Velberter Industriearbeiter mit guten und günstigen Lebensmitteln zu versorgen und so der Abhängigkeit und der "Ausbeutung" durch Fabrikanten und Handelsunternehmen entgegenzuwirken. Die Arbeiter konnten Anteilsscheine an der Dampfbäckerei erwerben und hatten damit Anspruch auf Backwaren und auf eine Rückvergütung (Dividende).

Innovation Dampfbackofen

Industrielle Backwaren-Fertigung

In Anlehnung an Wikipedia: "Der Dampfbackofen markiert einen Umbruch in der Geschichte des Backens. Vorher wurden traditionelle Backöfen verwendet, bei denen Backofensteine durch ein Feuer erhitzt wurden, auf dem dann das Brot gebacken wurde. Diese Öfen eigneten sich jedoch nicht für die Massenproduktion, um in den schnell wachsenden Städten dieser Zeit die Versorgung effektiv zu gewährleisten. Daher wurden ab 1844 in England neuartige Dampfbacköfen entwickelt.
Um das Jahr 1900 wurden dann alte Bäckereien umgerüstet in moderne Dampfbäckereien. Der Name Dampfbäckerei garantierte dabei dem Kunden eine Herstellung von Brot auf neuestem Stand und entsprechend gleichbleibender Qualität. Viele Bäckereigründungen in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts führten daher den Begriff Dampfbäckerei als Namensbestandteil.
"

Selbstverständnis der Genossenschaft

Bäckereibelegschaft

Die Genossenschaftsidee entstammt der sozialdemokratisch/gewerkschaftlichen Tradition und wurde als Teil des Klassenkampfes gesehen. Sie folgen dem Prinzip der „Hilfe durch Selbsthilfe“. Unabhängig von staatlicher Unterstützung und durch eigene Initiative können Arbeiter und Angestellte wirtschaftlich wettbewerbsfähig sein und sich selbst versorgen.

Architektur

Tuschezeichnug Bauplan 1911

Das Selbstverständnis und der Anspruch der Organisation kommt auch durch die aufwendige Architektur zum Ausdruck, ganz im Stil der Zeit mit Elementen des geometrischen Jugendstils und einer neoklassizistischen Fassadengliederung, nicht zu vergessen der weithin sichtbare 32 Meter hohe Schornstein.

Insolvenz / Vorwärts-Befreiung

Lieferwagen Konsumgenossenschaft

Wirtschaftlich glich die Entwicklung der Dampfbäckerei einem Auf und Ab, was aufgrund der damaligen Verwerfungen, wie dem Ausbruch des ersten Weltkrieges, der Hyperinflation, der Besetzung des Rheinlandes und des Börsencrashs von 1929 nachvollziehbar erscheint.
1925 drohte der Genossenschaft bereits die endgültige Insolvenz, die nur durch den Zusammenschluss mit den Wuppertaler Genossenschaften "Vorwärts" und "Eintracht" abgewendet werden konnte.

SA-Gefängnis

Ansicht ca. Anfang 30er Jahre

Als Folge der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 wurden die Genossenschaften aufgelöst und das Gebäude wurde von der SA (Sturm-Abteilung) vorübergehend zu Verhör- und Internierungszwecken missbraucht. Damit wurde ähnlich wie in anderen umliegenden Städten ein symbolträchtiges Gebäude der oppositionellen Arbeiterbewegung umgewidmet, um die politischen Gegner zu demütigen. Im Anschluss an die "Nacht der langen Messer" (Röhm-Putsch 1934) hat die SA das Gebäude wieder geräumt.

B.M.E. Bergisch Märkisches Eisenwerk

BME Werk II mit Firmenlogo auf dem Schornstein

1936 wurde das Gelände von der Velberter Eisengießerei B.M.E. (Bergisch Märkisches Eisenwerk) erworben und es entstand dort das sogenannte Werk II, wo die in Werk I an der Hohenzollernstrasse gegossenen Haushaltsmaschinen (z.B. Saftpressen und Fleischwölfe) mechanisch bearbeitet wurden. In der Kriegszeit wurden dort auch Rüstungsgüter bearbeitet.

Verfall

Aufnahme Ende der 90er Jahre

Nach dem Niedergang der Gießereiindustrie und der Veränderung der Produktionsabläufe im Nachkriegsdeutschland wurden die Gebäude nur noch sporadisch in einzelnen Bereichen genutzt und der Zahn der Zeit begann bereits deutlich an der Substanz zu nagen, als das Gebäudeensemble 1989 unter Denkmalschutz gestellt wurde.

Sanierung

Ansicht von der Friedrichstrasse

Seit 2005 entwickelt die Firma VVM aus Velbert als Investor und Bauherr das Areal. In einem ersten Bauabschnitt wurden im ehemaligen Lagerhaus und in der Kraftwagenhalle zwei Restaurants sowie im Pferdestall der Dampfbäckerei ein Bar-/Club-/Loungebereich errichtet. Im Innenhof ist ein Biergarten entstanden und die Obergeschosse sind zu mehreren Loft-Büros ausgebaut worden. Im zweiten Bauabschnitt ab 2010 ist das Hauptgebäude der Dampfbäckerei als "Beratungshaus" für die Stadt Velbert und den Kreis Mettmann auf 1.300 qm umgebaut worden. Bis 2016 wurden die Büroflächen an der Sontumer Strasse und die große Hochkeller-Halle saniert.